Persönliche und berufliche Weiterentwicklung für Juristen
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Systemik – von Gesetzen, die nicht im Schönfelder stehen, aber trotzdem gelten

Wir haben so viel von Systemen und Systemrelevanz gesprochen in den letzten Wochen. Mich hat das an etwas erinnert, über das ich schon länger mal berichten wollte. Weil es zu den Gesetzen gehört, die wir zwar nicht im Schönfelder finden, die unser Leben aber mitbestimmen.  Die nicht im Bundestag beschlossen wurden, aber trotzdem immer gelten. Es lohnt sich, einen Blick darauf zu werfen. Sich diese Dynamiken einmal bewusst zu machen, kann so vieles leichter machen.

Was für Systeme überhaupt?

Wir alle bewegen uns ständig in verschiedenen Systemen. Unsere Familie ist ein System, wir mit unseren Kollegen sind eins, die Schulklassen unserer Kinder, unser Sportverein, der Chor, die Partei, die Beteiligten eines Verfahrens. Gleichzeitig haben diese Systeme oft auch kleine Untersysteme. In einer voll besetzten Verhandlung sind alle Anwesenden im Raum ein System. Die Schulklasse in den Zuschauerreihen bildet ein Untersystem. Die anwesenden Juristen sind eins. Die Anwältin mit ihrem Mandanten. Und wir selbst für uns allein mit unserem Körper und unserem Geist. Alles kleine Systeme.

Systemik in der Juristerei und in der Natur

Auch ein System: unsere Natur

Und ein wunderschönes noch dazu!

Und in allen diesen Systemen gilt: wenn sich etwas im System bewegt, hat es immer Auswirkungen.

Wenn eine Person sich verändert, bewegen Andere sich mit oder rudern in die entgegengesetzte Richtung. Jedenfalls wird es bemerkt. Wenn wir unseren Körper anders behandeln als sonst, mit einer anderen Ernährung zum Beispiel, wird es Auswirkungen unser Wohlbefinden insgesamt haben. Und auch unsere Situation in einem System kann sich auf unsere anderen Systeme auswirken. So kann unsere Familie eine Veränderung an uns und damit an der Situation in der Familie bemerken, wenn wir große Belastungen am Arbeitsplatz erleben. Und auch, wenn sich die Lage dort wieder entspannt.

Systemik kann Klarheit in Konflikte bringen

Aus systemischer Sicht auf Situationen zu schauen, zum Beispiel auf Konflikte, bedeutet den Blickwinkel zu vergrößern, die Perspektive zu verändern. Es wird nicht nur auf eine Person geschaut, z.B. eine Kollegin, die immer wieder mit dem Team in Streit gerät. Vielmehr wird in einer solchen Situation das gesamte Team betrachtet mit seinen verschiedenen Wirkungen und Wechselwirkungen. Welche Wirkung hat das System auf die Kollegin? Und die Kollegin auf das System? Dabei geht es nicht darum, wer Schuld an dem Konflikt hat und wer nicht oder wer etwas richtig oder falsch gemacht hat. Manchmal sind einzelne Kolleginnen oder Kollegen auch lediglich „Symptomträger“ für etwas, was im gesamten Team schiefläuft. Wenn wir herausbekommen, was das ist, kann aus dem Konflikt eine Chance zu positiver Veränderung werden. Für ein gesundes Arbeitsklima.

Und hier kommen die Systemgesetze. Erst einmal zum Anschauen und Bewusstmachen. Sie werden nicht immer eingehalten und letztlich müssen sie das auch nicht, dazu unten. Erst einmal sind sie aber da und haben ihre Auswirkungen.

Die Systemgesetze

·       Recht auf Zugehörigkeit

Wenn einzelne Teammitglieder ausgeschlossen werden, hilft das beste Betriebsklima unter den restlichen nichts. Damit das System gesund funktioniert, muss jedem das Recht auf Zugehörigkeit gewährt werden.

·       Wertschätzung und Anerkennung von dem, was ist

Unverzichtbare Grundhaltung: die Wertschätzung den anderen Mitgliedern gegenüber. Das heißt nicht, dass wir mit allem einverstanden sein müssen, was die Kolleg*innen so tun oder sagen. Wir können anderer Meinung sein und uns darüber auseinandersetzen. Ohne eine Wertschätzung für den Menschen an sich wird es allerdings schwierig. Gilt in unserem eigenen Büro bis hin zu dem großen System der Welt, auf der wir gemeinsam leben.

·       Ausgleich von Geben und Nehmen

Kennt ihr bestimmt auch aus vielen Mandaten oder Verhandlungen – die Mandantin ist erst einmal bereit, eine ausgewogene Lösung zu finden. Hat sie das Gefühl, die Gegenseite kommt ihrerseits aber keinen Deut entgegen, schwindet diese Bereitschaft sehr schnell. Ein Vergleich, bei dem wir aus welchen Gründen auch immer zu weit entgegengekommen sind, kann uns schnell um die Ohren fliegen. Weil sich doch eine Unzufriedenheit breit macht, wenn der Wille für ein Win-Win-Lösung ein einseitiger war.

 ·       Früher vor später

Vielleicht habt ihr es schon einmal selbst erlebt, als ihr zum Beispiel an einem Arbeitsplatz neu angefangen habt oder auch einfach zu Hause in eurer Familie mit Geschwistern – den Vorrang des Früheren vor dem Späteren.

·       Vorrang von höherer Verantwortung und höherem Einsatz

Wenn du in einem größeren System arbeitest, zum Beispiel in einer Behörde, einer größeren Kanzlei oder Unternehmen, wirst du diese Strukturen umso eher kennen und erkennen können. Klarheit ist hier wichtig und auch, dass die jeweiligen Verantwortlichen ihren Bereich auch ausfüllen.

·       Vorrang von der größeren Kompetenz, dem größeren Wissen

Nicht immer so leicht erkennbar und etwas, das jedenfalls aus meiner Sicht zu häufig und fälschlich an Äußerlichkeiten wie Titeln und Positionen festgemacht wird.

·       Neues System hat Vorrang vor dem alten

Bei Umstrukturierungen in Unternehmen wie Familien zu beobachten und damit auch in ganz vielen Rechtsgebieten. Die Familienrechtler kennen die veränderte Dynamik während des Aushandelns von Scheidungsfolgenvereinbarungen, wenn ein neuer Partner oder eine neue Partnerin Teil des Systems werden. In Unternehmen führt ein „Das haben wir aber immer schon anders gemacht“ am Arbeitsplatz häufig zu Konflikten und ist ein Hinweis darauf, dass es an diesem Punkt noch mehr Klarheit braucht.

·       Gesamtsystem vor Untersystem

Wir haben häufig eher unsere kleinen Systeme im Blick. Die Balance zu halten zwischen dem großen Ganzen und dem, was ich im Kleinen in meinem Alltag bewege, ist immer wieder eine Herausforderung. Weder nützt es, nur auf das eigene Wohlbefinden zu achten noch ist es hilfreich, dieses beim Weltretten vollkommen zu vergessen.

Systemische Veränderungen führen häufig zu Konflikten

Egal in welchem Rechtsgebiet wir unterwegs sind. Die Dinge, die uns beschäftigen haben ganz oft damit zu tun, dass in einem System Veränderungen geschehen sind und eines oder mehrere dieser systemischen Prinzipien nicht bedacht oder verletzt wurden. Gleichzeitig kommt es auch ganz häufig vor, dass eine Verletzung einzelner dieser Prinzipien gar nicht vermieden werden kann, zum Beispiel weil mehrere dieser Systemgesetzte gegeneinander wirken. Das allein lässt noch keinen Konflikt daraus entstehen. Wichtig ist nur, es nicht unbeachtet zu lassen.

Bei Umkehrung dieser Ordnungen oder Verletzungen der Gesetze können wir nämlich wie immer ein paar hilfreiche Dinge tun:

Anerkennen, was ist. Die Irritation ansprechen. Schauen, wie ein Ausgleich erfolgen kann.

Manchmal wird das wie selbstverständlich fast von allein funktionieren. Und manchmal braucht es ein bisschen Arbeit daran. Bei dieser Arbeit können wir im Rahmen unserer Tätigkeit unterstützen beim Erkennen und Ausgleichen. Und damit beim Finden nachhaltiger Lösungen helfen.

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Christiane Eymers