Achtsamkeit in der Juristerei - ein Widerspruch in sich!?
Achtsamkeit ist auch so ein Thema, von dem ich lange dachte: ja, das klingt alles sehr schön und gemütlich, aber in der Juristerei funktioniert es halt nicht. Wir sind es gewohnt viel zu tun, wir halten das aus und wir haben für so etwas Entschleunigtes nicht so richtig Zeit. Hier gilt mal wieder einer meiner Lieblingssätze:
Glaub nicht alles, was du denkst!
Etwas schnell subsumiert das Ganze.
Mittlerweile denke ich anders darüber und habe für mich herausgefunden, dass ich einigen Irrtümern in die Falle getappt bin und das Achtsamkeit etwas ist, das bei jedem Tempo hilfreich ist, an vollen und an entspannten Tagen. Denn du kannst zwar schnell unachtsam sein, aber ebenso funktioniert unachtsam sein in langsam. Und beides eben auch umgekehrt.
Achtsamkeit heißt für mich nicht,
· dass man unbedingt sehr viel vor Kerzen zu sitzen hat
· dass es in schwierigen Situationen immer reicht, wenn wir uns hinsetzen und atmen
· dass wir immer alles sehr langsam machen sollten
· dass man sonntags nicht arbeiten darf oder zu einer bestimmten Zeit das Büro verlassen muss
Ich sitze eigentlich recht gern mal vor Kerzen und schaue in die Flamme. Und es ist unbedingt gesund zu atmen, natürlich! Ich schaue auch gern auf das Meer oder in den Himmel oder ins Nichts. Aber das „eigentlich“ ist gleichzeitig auch mal wieder so ein Zeichen dafür, dass ich es tatsächlich nicht so besonders oft mache. Und wenn, dann denke ich dabei doch auch irgendwie ununterbrochen irgendetwas, zumal ja in der Stille die Ideen erst so richtig anfangen aufzutauchen. Mir fällt allerdings oft auch etwas anderes ein als vor einer Kerze zu sitzen und das finde ich völlig in Ordnung.
Und besonders fand ich es schon immer etwas lästig, wenn zu meinen Aufgaben auch noch die hinzukommen sollte „einfach mal nichts zu tun“.
Für mich bedeutet Achtsamkeit
· im Moment zu sein und das auch bei schneller Taktung
· meinen ganz eigenen Rhythmus zu finden
· mich immer wieder mit mir selbst zu verbinden, um bewusst wahrzunehmen und zu entscheiden
· die Balance zu halten zwischen dem Detail und dem großen Ganzen
Im Moment sein auch bei schneller Taktung
Für mich hat Achtsamkeit überhaupt nichts mit Langsamkeit zu tun und auch nicht immer nur mit Ruhe. Natürlich ist es an der einen oder anderen Stelle eine Hilfe, Tempo herauszunehmen und damit auch Druck. In erster Linie aber ist Achtsamkeit eine ganz bewusste Form der Aufmerksamkeit. Die bewusste Entscheidung, wohin ich meine Aufmerksamkeit gerade lenke und dann auch das bewusste dort Bleiben und Wahrnehmen der Situation und der Menschen, mit denen ich in dieser Situation befinde.
An manchen Tagen wechselt ein Termin den anderen ab oder wir hören beim Telefonieren immer wieder schon den nächsten Anruf in der Leitung. An solchen Tagen ist es besonders hilfreich für mich, die jeweilige Aufgabe mit voller Aufmerksamkeit zu bearbeiten und mich von den anderen Aufgaben im Hintergrund nicht verrückt machen zu lassen. Bei der Bearbeitung einer Sache schon an die nächste oder die vorherige zu denken wird keiner gerecht und dauert letztlich länger. Das mag anfangs nicht ganz leicht sein, aber wir können es üben. Und dann achte mal darauf, wie sich das anfühlt! Für mich bedeutet es mehr Leichtigkeit.
Den ganz eigenen Rhythmus finden
Es gibt so viele Tools in Sachen Zeitmanagement und die sind auch hilfreich, wenn es darum geht, die eigenen Prioritäten herauszuarbeiten und dann dafür zu sorgen, dass sie nicht immer hinten runterfallen. Eines habe ich hier mal beschrieben, das Eisenhower-Prinzip. Wichtig bei all diesen Tools ist nur, dass sie zu uns passen müssen. Wenn sie allein so verstanden werden, dass wir noch mehr in unsere 168 Stunden in der Woche pressen und dabei gegen unseren eigenen Rhythmus arbeiten, nützt es nicht so viel und auf Dauer bringt es uns lediglich noch mehr Stress. Das geht schon los bei der Frage, ob du eher der frühe Vogel oder die Eule bist. Ob du Listen magst oder Freestyle, Papier oder Digitales. Ich liebe Inspiration und schaue mir alles Mögliche an, oft ist ja etwas Hilfreiches dabei und oft passe ich es auch einfach für mich an oder nehme nur ein Detail einer Idee für mich mit. Niemand auf der Welt kann all diese Anleitung aus all den Ratgebern gleichzeitig umsetzen. Und vor allem geht es nicht darum, dass wir uns selbst optimieren, sondern dass wir die Dinge für uns selbst optimieren. Weil es toll ist, wenn wir dadurch immer mehr in unsere Kraft kommen.
Verbindung mit uns selbst, um bewusst wahrzunehmen und zu entscheiden
Manchmal kommt da das Gefühl für die eigene Selbstwirksamkeit abhanden und wir fühlen uns von all den Aufgaben und Erwartungen fremdbestimmt, selbst wenn wir zu den Aufgaben irgendwann mal persönlich ja gesagt hatten. Die bewusste Entscheidung und Präsenz kann das Gefühl dafür wiedergeben, selbst zu bestimmen und unsere Tätigkeiten bewusst selbst zu steuern - und das ist eines der Grundbedürfnisse, die wir haben. Bewusstes atmen ist natürlich trotzdem nützlich und unsere Atmung kann ein auch sehr guter Hinweis darauf sein, wie es uns gerade geht. Diese Frage geht ja manchmal verloren, wenn wir daran arbeiten, Anderen zu helfen. Ist aber wichtig, um das weiter tun zu können. Und auch das gehört für mich zur Achtsamkeit – immer wieder versuchen wahrzunehmen, wie es mir und meinen Mitmenschen geht. Damit meine ich zum einen ein kurzes Einchecken immer mal wieder zwischendurch – weil wir im größten Stress ja sonst möglicherweise noch nicht mal merken, dass wir durstig sind. Damit meine ich aber auch die größeren Pausen, die immer Pausen auf unsere eigene Art und Weise sein können, aktiv oder in Ruhe und auch das wieder abhängig davon, was uns gerade gut tut.
Eine Pause ist nicht immer das, was jemand anders darunter versteht. Hier geht es ja um das Energieaufladen! Für viele von uns funktioniert das in der Natur, manchmal unter der Wolldecke, für manche beim Singen und für andere beim Reiten oder Schreiben oder Schlafen oder Fotografieren. Wir dürfen unser eigenes Energieaufladen wählen und das darf an unterschiedlichen Tagen auch ein unterschiedliches Energieaufladen sein.
Die Balance halten zwischen dem Detail und dem großen Ganzen
Dieser Teil hat viel mit dem Perfektionismus zu tun, der unter uns ganz schön verbreitet ist. Und ehrlich gesagt können wir den an vielen Stellen ja auch richtig gut gebrauchen! Bei Revisionsbegründungen oder Vertragsentwürfen oder der Fristenkontrolle zum Beispiel. Gleichzeitig macht es das Leben leichter, so einen Schriftsatz dann einfach auch mal loszuschicken und nicht noch die 32. Korrekturschleife mit kleinen Umstellungen im Satzbau vorzunehmen.
Denn dann bleibt Energie, auch immer mal wieder auf das große Ganze zu schauen. Sich Zeit zu nehmen für einen Blick aus der Vogelperspektive oder die einfache Frage an uns selbst, ob wir uns gerade noch auf unserem Weg befinden oder uns haben abbringen lassen. Ob wir mit dem, was wir gerade tun, unseren eigenen Zielen und Wünschen etwas näherkommen. Ob wir gerade mit Absicht viel Liebe ins Detail stecken oder eigentlich damit nur Zeit und Energie in etwas stecken, das sowieso schon sehr in Ordnung ist und bei dem wir die Unterschiede nur noch selbst bemerken.
Und das große Ganze? Das hat mit dem zu tun, wofür wir hier sind. Was für uns Sinn macht in diesem Leben und und worauf wir einmal zurückblicken wollen, wenn wir gehen. Große Fragen und trotzdem verstecken sie sich leicht mal im Alltag. Wenn du mal wieder nach deinen Werten schauen willst, gibt es hier einen Reminder und eine PDF, um sie auch zu finden. Ansonsten ein guter Trick: Überleg mal, wofür du gerade dankbar bist in deinem Leben. Die Dinge, die uns dabei einfallen und unser Herz so richtig aufgehen lassen, sind häufig nah dran an unserem ganz persönlichen großen Ganzen. Hör dir auch gern das Audio oben dazu an.
Ist Achtsamkeit ein Thema für dich? Hast du vielleicht sogar eine Idee oder Erfahrung, die du Lust hast zu teilen? Ich freue mich riesig über eine Mail an hallo@inspiredlaw.de oder eine Nachricht über Instagram @christianeeymers.