Persönliche und berufliche Weiterentwicklung für Juristen
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Schon mal auf der Gerichtstoilette geweint? Wechsel die Perspektive!

Kennt ihr solche Fälle, bei denen ihr euch eigentlich direkt nach Unterzeichnung des Vollmachtformulars fragt, warum ihr ihn je angenommen habt? Zu Beginn meines Rechtsanwältinnendaseins mit meinen großartigen Kollegen in der frisch gegründeten Kanzlei hatte ich genau einen solchen Fall. Mandanten beratungsresistent und auf der Jagd nach „dem Prinzip“. Die Sache juristisch verzwickt und gleichzeitig wenig aussichtsreich. Volle Kraft voraus ins Klageverfahren. Zum Glück habe ich im Laufe der Zeit begriffen, dass man Mandate auch ablehnen darf. Vorher habe ich aus diesem aber noch schnell mal viel gelernt.

Die mündliche Verhandlung war ein Desaster. Wir hingen fest an irgendwelchen Fragen, die ich längst vergessen habe. Der Richter wollte – na klar – einen Vergleich. Die Parteien nicht. Wenn ich auch den Inhalt der Sache gar nicht mehr zusammenbekomme, an die Stimme des Richters erinnere ich mich noch heute. Wie er immer wieder mit so einer Art zwangsgeduldiger Stimme sehr gedehnt Dinge sagte wie „Frau Eymers….! Das ist doch hier nicht ihre erste Verhandlung…..!“ Oder „Sie wissen doch sicherlich, dass dieser Weg hier der beste ist….!“.

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War ich sauer!!!

Zu einem Ergebnis kamen wir nicht….

Trick: Wechsel auf die Metaebene – wie wollen wir eigentlich miteinander umgehen?

Wieder draußen freundlich aufmunternde Blicke des gegnerischen Rechtsanwaltes, alle waren ein wenig betreten. Ich war einigermaßen fassungslos und bin nach kurzer Überlegung nochmal rein in den Gerichtssaal. Und habe den Vorsitzenden gefragt, warum er in der Verhandlung so persönlich werden musste. Dass man meiner Meinung nach in der Sache unterschiedlicher Meinung sein kann, sich aber trotzdem gegenseitig doch wohl respektvoll behandeln sollte.

Und was sagte der gute Mann? „Ich fühlte mich von Ihnen in die Ecke gedrängt. Sie haben ja immer wieder die gleiche Frage gestellt.“

???

Ich wieder raus und erstmal auf die Gerichtstoilette und dort geweint was das Zeug hält, aber sehr leise. Von mir in die Ecke gedrängt? Ich halte mich für eine einigermaßen freundliche Person. Aber natürlich, wir hatten eben Punkte in dem Fall, die juristisch Fragen offen ließen. Und offenbar hatte er in dem Moment auch keine Antwort. Und hat vergessen, dass das ja auch niemand verlangt hat. Ein einfaches „Zu diesem Punkt habe ich momentan auch noch keine Einschätzung“ habe ich schon oft von sehr souveränen und kompetenten Richtern gehört und es hätte auch hier allen gereicht.

Aber:

Druck erzeugt Gegendruck.

Und manchmal sind wir so auf den eigenen Druck konzentriert, dass wir den Druck des Anderen gar nicht wahrnehmen. Ich war genervt von dem Fall, von den Mandanten, von dem Termin. Und habe mich inmitten der ziemlichen Aussichtslosigkeit auf die wenigen ungeklärten Fragen gestürzt. Und damit die Anderen genervt. Die bestimmt den Fall auch schon vorher nicht mochten. Alle voll in der Verneinungsschleife, ziemlich ungünstig für das Auffinden einer konstruktiven Lösung.

Was ist nun das wichtige Learning an der Situation?

Was Peter über Paul sagt, sagt mehr über Peter, als über Paul.

Wie der Richter in der Verhandlung mit mir geredet hat, hatte mit ihm selbst zu tun. Er fühlte sich unter Druck. Und es hatte rein gar nichts zu tun mit meiner Art der Verhandlungsführung, meiner Vorbereitung, meinem Intelligenzquotienten oder der Frage meiner Treffsicherheit in Sachen Berufswahl ansich. Es hatte zu tun mit dem, was meine Fragerei bei ihm ausgelöst hat.

Seit ich das verstanden habe, nehme ich solche Dinge nicht mehr persönlich. Komischerweise passieren sie mir allerdings auch nicht mehr. Und wahrschlich gilt auch da wieder, dass eben immer alles mit allem zusammenhängt.

Für mich ist die Geschichte eines von vielen Beispielen dafür, dass sich ein Perspektivwechsel unbedingt lohnt. Immer. Wenn dir Kollegen oder andere Verfahrensbeteiligte arrogant oder herablassend gegenüber treten, versetz dich kurz in sie hinein. Vielleicht hast du eine Hypothese dazu, woran es liegen könnte. Und ansonsten sei mutig, wechsel ruhig einmal auf die Metaebene. Frag nach. Kurz abzustimmen, wie man miteinander reden möchte, kann richtig Schwung in die Sache bringen. Ich finde, dass solche Themen in die Juristenausbildung gehören. Und dass Gerichtstoiletten eigentlich einen anderen Zweck haben.

Ist es dir schon einmal passiert, dass du dich unangemessen behandelt fühltest? Dass du meintest, jetzt aber echt die einzig normale Person im Raum zu sein? Was hast du gemacht und wie aus der Situation gefunden? Schreib mir richtig gern dein Erfahrungen über hallo@inspiredlaw.de.

 

Christiane Eymers