Wie du von der Schnappatmung zur Lösung kommst
Hast du manchmal Schnappatmung, wenn du das Fax der Gegenseite liest? Antwortest du dann sofort? Passiert es, dass du deinem Mandanten viele gute Lösungswege präsentierst und er sagt die ganze Zeit „Ja, aber….“? Und ihr kommt nicht weiter? Es gibt gute und ungünstige Momente, eine Lösung zu finden. Und viel hat es damit zu tun, wie wir alle reagieren, wenn etwas nicht nach unserem Plan läuft. Der doch eigentlich so schön war. In diesem Artikel erfährst du
· wann du mit deiner Arbeit und deinen Lösungsvorschlägen nur deine Energie verschwendest
· wann der richtige Moment ist für Aktenbearbeitung und Lösungsgespräche
· was es braucht, um den Moment zu finden
Das Leben ist Veränderung und jeden Tag begegnet uns eine Vielzahl von Dingen, die in irgendeiner Art und Weise von unserer Erwartung abweichen, auf die wir uns neu einstellen müssen. Ganz kleine Veränderungen können es sein wie die, dass der Fahrstuhl, der mich zu meinem wichtigen Termin im 7. Stock bringen soll, einfach nicht kommt oder dass ich meinen Zug verpasst habe. Oder größere Veränderungen wie die Idee deines Chefs, dass du ab sofort Fachvorträge zur Mandantengewinnung halten sollst. Und deine Mandanten sind ja sowieso meistens bei dir, weil irgendwas nicht nach ihrem Plan lief. Oder wenn du Glück hast, weil irgendetwas von vornherein nach ihrem Plan laufen soll.
Veränderungen laufen immer in bestimmten Phasen ab
Es hat sich in ganz vielen verschiedenen Bereichen gezeigt, dass wir bei allen Veränderungen, egal ob positiv oder negativ, ob groß oder klein, immer die gleichen Phasen durchlaufen, bis die Veränderung in unser Leben integriert ist. Oder aber wir bleiben in einer Schleife, die genau das verhindert. Und es bringt Spaß, das einmal im Alltag bei sich selbst und den Mitmenschen zu beobachten. Um auch an dieser Stelle bewusster zu werden und das Steuerrad in der Hand zu behalten. Das Phasenmodell der Veränderung war eines meiner größten Aha-Erlebnisse in meiner Coaching-Ausbildung und ich habe seitdem in ganz vielen Workshops mit den Teilnehmern damit gearbeitet. Es ist eine Erleichterung und ein Energiesparer und es hilft, humorvoll auf nervige Situationen zu schauen und dadurch viel Gelassenheit zu gewinnen.
Das Phasenmodell der Veränderung stellt die Kurven dar, die wir in der Veränderung mit verschiedenen Phasen immer wieder durchlaufen. Der Ursprung ist nicht ganz klar, schön beschrieben ist es von Martina Schmidt-Tanger in ihrem Buch „Change – Raum für Veränderung“ (Junfermann Verlag 2012).
Und das sind die Phasen:
· Phase 1: Schock/Überraschung
· Phase 2: Verneinung
· Phase 3: Einsicht
· Phase 4: Emotionale Verarbeitung und Akzeptanz
· Phase 5: Ausprobieren
· Phase 6: Integration und Erkenntnis
Phase 1: Schock/Überraschung
Dies ist der Zeitpunkt, in dem wir die Veränderung bemerken. Etwas passiert nicht so, wie du es erwartet oder dir gewünscht hast. Der Fahrstuhl kommt nicht. Du bist gerade mit deinen Sachen mal fast auf dem Stand und jetzt sollst du Fachvorträge halten.
Phase 2: Verneinung
Hast du schon einmal in schneller Folge vielfach auf den Fahrstuhlknopf gedrückt? Das ist die Phase der Verneinung – kann jawohl nicht wahr sein, dass der Fahrstuhl gerade jetzt nicht kommt. Ich soll Vorträge halten? Der Chef meint sicher nicht mich, morgen wird er mir mitteilen, dass es ein Irrtum war und er jemand anderen einsetzt.
Phase 3: Einsicht
Irgendwann merkst du aber: es ist wahr. Die Veränderung ist da und du wirst damit umgehen müssen. In dieser Phase nehmen wir sie oft als Problem war, haben noch keine Ahnung, wie wir damit umgehen sollen. Die Folge in der nächsten Phase ist, dass wir uns hilflos fühlen, nicht als Gestalter unserer eigenen Situation.
Phase 4: Emotionale Verarbeitung und Akzeptanz
Hier geht es dann durch die Gefühle, die auftauchen. Wut, Enttäuschung, Traurigkeit, Verunsicherung machen sich breit und die eigene Kompetenz befindet sich gefühlt auf dem Nullpunkt. Dadurch ist es in dieser Phase nicht möglich, Lösungsmöglichkeiten zu sehen oder Vorschläge hierzu anzunehmen. In Phase 4 denkst du, dass das alles nichts bringt, dass du sowieso nichts ändern kannst und wenn jemand eine gute Idee hat, antwortest du mit „Ja, aber….“. Und genauso benimmt sich dein Mandant, dem du gerade den Beschluss geschickt hast. Diese Phase ist wichtig und gut ist es, sie in dem Moment einfach anzuerkennen. Sie ist unterschiedlich lang, je nach Persönlichkeit und Tagesform und natürlich auch abhängig von der Größe der Veränderung.
Phase 4 kann ganz schön unangenehm sein. Und wie kommst du wieder raus?
Es braucht eine bewusste Entscheidung, aus der Phase heraus und weiter zu gehen. Wenn du noch denkst, dass alle anderen, die irgendwie mit der Situation zu tun haben oder sogar noch nicht mal das, Schuld an deinem Problem sind, hast du diese Entscheidung noch nicht getroffen.
Manche Menschen richten sich in dieser Phase sogar ganz gemütlich ein und machen sie zu einem Dauerzustand. Ist ja auch ganz bequem, wenn ich für die ganze Misere nichts kann. Wenn du mit so jemandem zu tun hast, kannst du dich herrlich daran abarbeiten, Lösungen zu präsentieren. Sie kommen nicht an.
Phase 5: Ausprobieren
Wenn die Phase 4 geschafft ist - die Tränen geweint oder die Wut herausgeschrien, die Unsicherheit ausgehalten - geht es ans Ausprobieren. Vielleicht gibt es ja eine Treppe. Vielleicht hilft es, mal in Ruhe anzuschauen, was mich tatsächlich zu einem Experten in meinem Fach macht und ob ich Lust habe, das weiterzugeben. Ich kann mir Informationen beschaffen und mit meinem Chef ganz genau die Erwartungen klären, die er an mich hat und die Unterstützung, die er mir dafür gibt. In dieser Phase geht meine gefühlte Selbstwirksamkeit wieder nach oben, ich sehe Handlungsoptionen und Möglichkeiten.
Wichtig ist es hier, das echte Ausprobieren nicht mit einem blinden Aktionismus zu verwechseln. Dieser führt nämlich direkt in die Verneinungsschleife und lässt uns in diesen Phasen 2 bis 4 steckenbleiben.
Und woran erkennst du die Verneinungsschleife?
Wenn du immer wieder an dem gleichen Punkt des Haderns und Lamentierens über irgendetwas landest, bist du wahrscheinlich in der Verneinungsschleife. Und brauchst – genau: die bewusste Entscheidung, da rauszugehen. Schönes Beispiel aus dem Privatleben ist die Anmeldung in einem Datingportal an dem Tag, an dem der Partner sich verabschiedet hat. In blindem Aktionismus eine Vielzahl von neuen Kandidaten in rascher Folge zu akquirieren, wird vermutlich immer wieder zu Frustration und Enttäuschung führen. Weil die Phase 4 übersprungen wurde und damit das Gefühl, das sie ausgelöst hat. Und damit landet man schnell da, wo man schon war.
Und bei dem deine Schnappatmung auslösenden Fax? Kannst du eine persönlich beleidigende und lösungsansatzbefreite Erwiderung schreiben und na klar kommt die Sache wie ein Bumerang zurück. Solche Schleifen kann man ja über mehrere Instanzen drehen. Oder du ärgerst dich eben erstmal, wenn dich das Schreiben nunmal ärgert. Machst dann etwas anderes, was dich wieder in eine gute Verbindung zu dir selbst bringt. Und schaust schließlich, wie du so antworten kannst, dass du die Angelegenheit wirklich voranbringst.
Phase 6: Integration und Erkenntnis
Schließlich ist es geschafft, die Lösung gefunden, die Veränderung integriert und vielleicht eine Erkenntnis gewonnen. Die Akte kommt in den Keller, deine Fachvorträge werden zur regelmäßigen und beliebten Institution.
Spannend wird es gerade im Umgang mit unseren Mitmenschen ja dadurch, dass diese Phasen bei allen von uns ablaufen und wir uns auch gegenseitig immer wieder in diese Veränderungskurve und die Phase 4 werfen. Das Schreiben, das mich selbst vielleicht geärgert hat, geht in Abschrift an den Mandanten. Der ja tatsächlich persönlich betroffen ist. Hier ist das Bewusstsein für die Phasen schon einmal hilfreich, denn wenn ich selbst mich mitten in der Phase 4 befinde, kann ich weder kreativ und lösungsorientiert handeln, noch gut mit der Phase 4 meines nächsten Gesprächspartners umgehen.
Wenn ich mit jemandem spreche, der sich in dieser Phase befindet, kann ich mir meine Energie in Bezug auf Lösungsvorschläge sparen – sie werden nicht ankommen.
Wichtig ist dann: anerkennen, was ist. Zeit geben zum Sacken lassen. Ich kann dem Mandanten sagen, dass er erst einmal in Ruhe über die Sache schlafen soll und ihm schon einmal einen Termin nennen, an dem das weitere Vorgehen besprochen wird. Und dann gilt es oft, die Mitmenschen an die eigenen Ressourcen zu erinnern und ihnen zu helfen, wieder in die eigene Kraft und Wirksamkeit zu kommen, denn das Steckenbleiben in Phase 4 hilft auf Dauer niemandem weiter.
Wir alle haben schließlich schon tausende Veränderungen bewältigt und können dies auch mit jeder weiteren. Und mit einem Bewusstsein für die verschiedenen Phasen gelingt es oft leichter. Weil ich mich bewusst entscheiden kann, ob wütend unter der Sofadecke liegen gerade das Richtige ist (und das kann es für eine Weile sein!) oder ob ich weitergehen möchte.
Schau doch mal in den nächsten Tagen, ob du diese Phasen irgendwo wiedererkennst. Was klappt für dich selbst gut, um aus Phase 4 zu kommen? Was funktioniert, wenn du andere dabei unterstützen willst? Schreib mir richtig gern mal deine Gedanken und Beobachtungen, ich freue mich sehr auf einen Austausch! Einfach direkt per Mail an hallo@inspiredlaw.de.