To all the women in law
Ab und zu erhalte ich Nachrichten von Kolleginnen, die mich in Sachen Vereinbarung von Beruf und Familie ansprechen und fragen, ob und wie das funktionieren kann und ob ich irgendwelche Tipps parat habe. Aus meiner Sicht kann es die so richtig nicht geben, denn:
Wir sind alle so unterschiedlich
Und gerade das ist sehr großartig, weil es sonst sehr schnell sehr langweilig werden würde. Und weil wir uns so gegenseitig viel besser inspirieren können. Wir sind auch in verschiedenen Ecken der Juristerei unterwegs, haben sicherlich ganz unterschiedliche Herausforderungen und Rahmenbedingungen, vielleicht sogar tatsächlich nicht immer in allem die Wahl und genau deshalb gibt es ja auch kein Patentrezept, das jeder einfach übernehmen könnte.
Gleichzeitig haben wir aber so viel gemeinsam!
Nicht nur damit, dass wir durch diese verrückten Staatsexamen gegangen sind. Sondern auch dadurch, dass jede von uns selbst entscheiden möchte, wie sie ihr Leben lebt. Dass wir manchmal unsicher sind, was funktionieren kann. Dass wir nicht immer merken, was wir eben doch verändern und passend machen können und dass wir letztlich niemandem eine Rechenschaft schuldig sind außer uns selbst. Und trotzdem so viel nach den manchmal echten und manchmal nur vermeintlichen Erwartungen unserer Umgebung schauen.
Lasst uns mal etwas verändern…
Ich bin richtig überzeugt davon, dass wir trotz aller gesetzlichen oder gesellschaftlichen Umstände, die wir so vorfinden, die ganze Jobwelt nur selbst verändern können. Wir können das, indem wir aufmerksam füreinander sind und uns gegenseitig unterstützen und nicht mitmachen in einem Zirkus von gegenseitiger Bewertung, der niemandem nützt. Indem wir unsere Geschichten teilen und uns gegenseitig zeigen, was geht. Uns gegenseitig Mut machen.
Hier kommt also meine Geschichte in Sachen Anwältin mit Familie
Direkt nach dem Examen habe ich etwas über ein Jahr in einer mittelständischen Kanzlei als angestellte Anwältin gearbeitet. Ich habe dort unfassbar viel gelernt, viel gearbeitet, manchmal auf der Toilette geweint, meistens aber sehr viel Spaß gehabt. Ich denke heute noch immer mal und dann sehr gern an diese Zeit zurück. Dann wurde ich schwanger und die Ansage dort war, dass ich sehr gern bleiben kann, wenn ich weiter in Vollzeit arbeite und mein Mann die Kinderbetreuung übernimmt.
Nur so nebenbei: ich war dort als Arbeitsrechtlerin eingestellt worden.
Wie es aber gar nicht so selten vorkommt, helfen einem die einschlägigen Paragraphen nicht immer tatsächlich weiter. Die Idee meiner damaligen Chefs kam nicht nur deshalb für uns nicht in Frage, weil mein Mann zu dem Zeitpunkt auch gerade sein (nicht juristisches) Examen fertig hatte. Sondern auch, weil ich selbst gern meine Tochter auch mal tagsüber sehen wollte.
Und schon an dieser frühen Stelle: wenn du denkst „Mensch, das war doch eine tolle Gelegenheit“ – ja klar! Es gibt bestimmt viele, die es so gemacht hätten und es wäre für sie genau richtig gewesen. Und Andere würden sagen: „Wieso – da hättest du doch gut erstmal 3 Jahre zu Hause bleiben können und inzwischen hätten sie sich vielleicht beruhigt.“ Auch das!
Es gibt ja nicht den einen richtigen Weg!
Auch eine herrschende Meinung zum Thema „Was ist denn nun das Beste, wenn du einen Beruf hast und Kinder bekommst“ konnte ich noch nicht ausmachen. Wenn auch viele Menschen dazu eine Meinung haben, die sie als die einzig richtige und als Tatsache betrachten. Was ich sehr lästig finde. Solche Entscheidungen lassen sich nur selbst treffen und unsere Mitmenschen können Rat geben oder sagen, wo sie helfen können. Die beste Lösung für uns finden müssen wir trotzdem selbst. Und dann das Leben leben.
Wir sind zurück nach Hamburg gegangen, was einerseits unsere Heimat ist und andererseits natürlich vieles leichter machte, weil Familie mit am Start war und bekanntlich braucht es ein ganzes Dorf, um ein Kind aufzuziehen.
Schwangerschaft und Kanzleigründung
Schon vor jetzt über 15 Jahren gab es tatsächlich zwei Kollegen hier, die mit einer schwangeren Rechtsanwältin eine Sozietät gegründet haben. Eröffnung hatten wir, als meine Tochter 3 Monate alt war. Ab und zu denke ich daran und feiere die beiden heute noch dafür. Es sollte selbstverständlich sein, aber ich meine, das war es nicht und ist es auch heute leider noch nicht.
Von Güteverhandlungen und Kühlschränken
Praktisch war, dass ich in der Nähe vom Arbeitsgericht wohnte. Ich konnte manchmal direkt von dort zum Babyschwimmen gehen und ich hatte ab und zu aufgrund irgendwelcher Organisationslücken den Kinderwagen mit im Verhandlungssaal. Einmal hat mich ein Richter gefragt, ob der Wagen eine Attrappe ist, denn meine Tochter hat immer sehr gut geschlafen. Ich habe Milch abgepumpt und im Kanzleikühlschrank gelagert, wozu ich nur sehr wenig Sprüche gehört habe. Und immer auch Akten mit nach Hause genommen, na klar.
Beste Schwangerschaftsklamotte: die Robe
Später habe ich noch eine zweite Tochter bekommen. Bis wenige Tage vor ihrer Geburt war ich noch selbst in Gerichtsterminen, da ist die Robe ja auch sehr praktisch und mir ging ist die ganze Zeit richtig gut. Danach habe ich drei Monate Pause gemacht, jedenfalls von einer sichtbaren Anwesenheit, und meine wieder großartigen Kollegen haben mich in Terminen und einigen eiligen Dingen vertreten.
Ich konnte dank der Aufteilung mit meinem Freigeist von einem Ehemann, durch die Hilfe meiner Eltern, Schwester und Schwiegereltern und durch Tagesmutter und Kindergarten immer Dranbleiben. Natürlich frage ich mich manchmal, ob ich alles richtig gemacht habe. Und sage mir dann sofort, dass es ein „richtig“ oder „falsch“ an dieser Stelle nicht gibt. Und ich werde es ja auch nie herausbekommen, wie es anders gewesen wäre.
Jedenfalls habe ich in den Jahren auch immer wieder Dinge angepasst und neu entschieden, habe mich weitergebildet, meine Tätigkeit verändert und all das hat ja funktioniert!
Wenn ich meinem früheren ich heute einen Rat geben könnte, so wäre er: mach dir selbst weniger Druck. Und das ist es auch, was ich allen von euch zurufen möchte, die vor diesen Entscheidungen gerade stehen:
Macht euch locker, genießt immer das, was ihr gerade macht, rechtfertigt euch nicht!
Bekommt Kinder, bekommt keine, bleibt zu Hause, arbeitet voll, macht alles gleichzeitig. Ändert das, was nicht zu euch passt.
Klappt vielleicht nicht immer, aber genau dabei können wir uns unterstützen! Und auch vorsichtig sein, nicht nur mit gegenseitigen Bewertungen, sondern auch schon mit dem Einschätzen des vermeintlich Sichtbaren. Wir wissen nie, was hinter der Situation eines anderen Menschen steckt, ob sie gewählt ist oder nicht, ob er oder sie damit froh ist.
Natürlich habe ich oft versucht mich zu vierteilen. Beim Spielen mit den Mädels Mails gecheckt. Irgendjemanden noch angerufen und gehofft, dass es in dem Moment ruhig bleibt. Bin mit zwei verschiedenen Hosenanzügen im Gericht gewesen, oben braun und unten schwarz oder umgekehrt, weil ich es im morgendlichen Wahnsinn gar nicht bemerkt habe. Natürlich an einem Tag, an dem der Richter sagt: „Heute verzichten wir einfach auf die Roben!“. So what. Vom Mond aus betrachtet ist das alles sehr klein, aus der Entfernung mehrerer Jahre auch. Und der ein oder andere Anruf wäre am nächsten Tag noch genauso gut gewesen.
Meine Töchter jedenfalls sind absolut großartige Mädchen, alle beide.
Sie haben sich ins Leben gestürzt, wann sie wollten und es ist so ein Geschenk, dass sie da sind! Ich hätte lange auf einen passenden Moment warten oder irgendwelche Strategien entwickeln können, auch finanziell. Danach habe ich mich nie gerichtet und für mich hat sich auch gezeigt, dass sich immer ein Weg auftut, wenn man erstmal unterwegs ist.
In diesem Punkt lohnt es sich deshalb, das Juristendenken einmal auszuschalten. Es ist unmöglich, immer alles unter Kontrolle zu haben – etwas, was für mich selbst nicht ganz leicht zu glauben ist. In Sachen Kinder ist es mir aber völlig klar – wir können vorher nicht wissen, wie es hinterher wird. Weil wir ja vorher nicht wissen, was für ein Mensch da zu uns kommt, welche besonderen Bedürfnisse und Eigenarten er mitbringt. Insofern hilft alles Planen bestimmt dabei, sich gut vorbereitet zu fühlen. Wie es wirklich ist, wissen wir aber erst, wenn sie da sind. Und erst dann wissen wir auch, wie wir selbst uns fühlen in der dann für uns so komplett veränderten Welt.
Also: macht doch, was ihr wollt! Entscheidet euch immer für das Leben und zwar für euer eigenes!
Und schreibt mir richtig gern mal eure Gedanken oder Fragen. Erzählt eure Geschichten. So können wir uns gegenseitig inspirieren, unterstützen und sehen, wie viele unterschiedliche Lösungen und Konstellationen es gibt. Welche Erfahrungen wir damit haben. Schreibt mir einfach hier per Mail an hallo@inspiredlaw.de oder teile deine Geschichte und Erfahrungen bei Instagram @christianeeymers unter meinen Post zu diesem Blogeintrag oder als Nachricht an mich. Ich freue mich darauf!
Und hier kommt das P.S.: All das gilt aus meiner Sicht auch für Männer. Die fragen mich nur nicht.
Trotzdem sind bestimmt auch eure Geschichten interessant und Veränderungen funktionieren gemeinsam. Also: ebenfalls gern her damit!